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„Setzt euch für Einigkeit in Europa ein" Polnische Zeitzeuginnen appellieren an Jugendliche

Drei polnische KZ-Überlebende besuchen auf Einladung des Maximilian-Kolbe-Werks und des Ludwig-Windthorst-Hauses Schulen in Lingen und der Umgebung

(Bericht und Fotos: Markus Wellmann, Ludwig-Windthorst-Haus Lingen)

Einen deutlichen Appell richteten Barbara Pankowska, Halina Brzozowska-Zdunczyk und Elzbieta Podbielska an die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 9 bis 11 im Emsland und der Grafschaft Bentheim: "Setzt euch für Einigkeit in Europa ein - tut euren Teil dazu, dass die Nachbarn in Frieden zusammen leben!" Die Botschaft kam an - wurde sie doch von Menschen formuliert, die die Schrecken des Krieges und einer menschenverachtenden Ideologie selbst erleiden mussten. Alle drei waren im deutschen Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau inhaftiert.

Die drei Zeitzeuginnen in der Lingener Marienschule

Zu Gast waren die drei Damen auf Einladung des Maximilian-Kolbe-Werks im Ludwig-Windthorst-Haus (LWH), der katholisch-sozialen Akademie des Bistums Osnabrück vom 14. bis 27. Mai 2017. Begleitet wurden die Gäste von Marianne Drechsel-Gillner, ehrenamtliche Mitarbeiterin des Maximilian-Kolbe-Werks, und von Markus Wellmann, Studienleiter im LWH.

Einen großen Teil des 14-tägigen Aufenthaltes stellten die Besuche an verschiedenen Schulen dar. Besucht wurden sieben Schulen in der näheren Umgebung: Das Lise-Meitner-Gymnasium in Neuenhaus, das Gymnasium Nordhorn, die Marienschule Lingen, das Gymnasium Leoninum in Handrup, das Franziskusgymnasium Lingen, das Missionsgymnasium Bardel sowie das Windthorst-Gymnasium in Meppen. Für die Gespräche teilten sich die Schüler/-innen der jeweiligen Jahrgangsstufen (Jg. 9, 10 und/oder 11) in drei Gruppen auf. Dadurch wurde ein passender Rahmen geschaffen, der sowohl den Zeitzeuginnen als auch den Zuhörerinnen und Zuhörern entgegenkam.

Am Leoninum Handrup: Elzbieta Podbielska erzählt ihre Lebensgeschichte (rechts Übersetzerin und Begleiterin Marianne Drechsel-Gillner)

Unterstützung erhielten die Organisatoren von zusätzlich engagierten Übersetzern: Maik Hartmann, Jura-Student aus Hamm; Agnes Kläsener, Studienleiterin in Elternzeit im LWH; Mark Radtke, Theologie-Student aus Bochum, Jakob Smilga-Zywocki, Mitarbeiter der Universität Münster sowie Sylvia Zeromski, Mutter eines Schülers am Missionsgymnasium Bardel. Die Schulleitungen, Klassen- und Geschichtslehrer/-innen und besonders die Schüler/-innen brachten dem Gesprächsangebot mit den Zeitzeuginnen große Wertschätzung entgegen. Deutlich wurde dies an vielen interessierten und informierten Nachfragen zu den Berichten der drei KZ-Überlebenden.

Am Lingener Franziskusgymnasium schildert Halina Brzozowska-Zdunczyk, was ihr während des Warschauer Aufstands 1944 widerfuhr (rechts neben ihr Dolmetscher Mark Radtke)

Das Freizeit und Kulturprogramm führte die Gäste in diesem Jahr unter anderem quer durch das Emsland, das Osnabrücker Land und die Grafschaft Bentheim. Hervorzuheben ist ein Besuch am Geschichtsort "Villa ten Hompel" in Münster. Zur Zeit des Nationalsozialismus war das Gebäude der Sitz der Ordnungspolizei, später dann Ort der Entnazifizierung und Dezernat für Wiedergutmachung im Nachkriegsdeutschland. Heute ist die "Villa ten Hompel" Raum für die Auseinandersetzung mit geschichtlichen und aktuellen Themen zwischen Erinnerungskultur und Demokratieförderung.

Am Geschichtsort „ Villa ten Hompel“ in Münster empfingen Stefan Querl und Ellen Schunck die Zeitzeuginnen

Besucht wurde ebenfalls das Museum und der Park Kalkriese bei Osnabrück und die Landhaus-Brauerei Borchert in Lünne. Hier verkosteten die drei Gäste unterschiedliche Biere aus regionaler Produktion. Weitere Exkursionsorte waren die Städte Papenburg, Leer und Bad Essen.

Den Sonntagsgottesdienst feierte die Gruppe zusammen mit mehreren Hundert Gläubigen bei sommerlichem Wetter im Wallfahrtort Wietmarschen. Zum Abschluss der traditionellen "Sternwallfahrt" feierte der Osnabrücker Weihbischof Johannes Wübbe die Heilige Messe und nahm sich beim anschließenden Empfang Zeit für ein Gespräch.  

In Wietmarschen trafen die Gäste Weihbischof Johannes Wübbe

Ebenfalls beeindruckt von den Schilderungen der Zeitzeuginnen zeigte sich der Erste Bürgermeister der Stadt Lingen, Heinz Tellmann, der die Gäste im Historischen Rathaus empfing.

Eintrag in das Gästebuch der Stadt Lingen - Barbara Pankowska mit Bürgermeister Heinz Tellmann. Foto: Herrmann Lindwehr/ Grafschafter Nachrichten

Auch die Mitarbeiter/-innen des Ludwig-Windthorst-Hauses hatten die Möglichkeit, etwas von den Lebensgeschichten der Zeitzeuginnen zu erfahren. Der stellvertretende Akademiedirektor René Kollai dankte den Damen für ihren Besuch. Kollai hob die Bedeutung eines solchen Besuchs angesichts der aktuellen welt- und europapolitischen Umstände hervor. Geschichte eigne sich als Mahnerin für eine verantwortungsvolle Gestaltung der Zukunft. Dies sei durch die authentischen Berichte der Zeitzeuginnen deutlicher geworden als es Geschichtsbücher vermitteln könnten.

Das Zeitzeugenprojekt in Lingen wurde durch die Mittel der Lotterie "GlücksSpirale" gefördert.

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