Maximilian-Kolbe-Werk e.V.

Krankenbesuche in der Zentralukraine

Vom 9. bis 13. September 2018 waren unsere ehrenamtlich Engagierten Ursula Fox und Sr. Magdalena Kutas zu Krankenbesuchen in der Zentralukraine. In der Stadt und Region Kropywnyzkyj (ehemals Kirowograd) haben sie 25 Überlebende der Konzentrationslager und Ghettos besucht und ihnen finanzielle Hilfen von 300 Euro überbracht.

Die meisten ehemaligen Häftlinge haben die beiden Ehrenamtlichen in ihren Häusern und Wohnungen in Kropywnyzkyj, Oleksandrija und Znamjanka angetroffen. Zudem wurden in der Synagoge und in der Kirche des Hl. Geistes in Kropywnyzkyj zwei Treffen mit Überlebenden bzw. ihren Angehörigen veranstaltet.

Ihre Erlebnisse und Eindrücke von den Begegnungen mit Überlebenden der Konzentrationslager und Ghettos in der Stadt in Region Kropywnyzkyj hat Ursula Fox für uns im Folgenden zusammengefasst.

Georgij Iltschenko (*1925) lebt mit seiner Tochter auf einer Datscha. Das Gartenhaus ist teils gemauert, teils mit Pappen und Plastikplanen abgedichtet. Auf der Terrasse befindet sich die Sommerküche.

Georgij liegt auf einem geräumigen, mit Decken und Kissen belegten Bett, das den halben Raum einnimmt. Er ist blind, kann deshalb die in einem Wandregal rund um sein Bett aufgestellten zahlreichen Bücher nicht mehr lesen. Durch die Räume sind Schnüre gespannt, an denen er sich fortbewegen kann. Er hört viel Radio.

"Ich habe noch ein gutes Gedächtnis, einige deutsche Worte fallen mir ein." Und eins wiederholt er immer wieder: "Dankeschön!" Die Tochter packt uns eine Tüte mit Weintrauben aus ihrem Garten ein.

Maria Tretjakowa (*1926) ist bettlägerig. Von einem schweren Sturz sind ihre Beine so geschädigt, dass sie nicht mehr auftreten kann. Auch sitzen kann sie kaum, denn es quälen sie dann starke Schmerzen.

Sohn und Schwiegertochter und morgens und abends eine Pflegekraft versorgen sie. Ihre gesamte Rente ist für die Pflegekraft aufzuwenden. Darüber hinaus sind Pampers und viele Medikamente notwendig. Um Einkäufe und das Essen kümmert sich der Sohn. "Ich bin schon 70 Jahre alt, muss aber noch arbeiten, damit wir über die Runden kommen."

Maria war mehrere Jahre in Auschwitz inhaftiert. "Ich habe schwere Arbeit beim Straßenbau geleistet und es gab immer wenig zu essen. Die Russen haben uns befreit. Die Nummer auf dem Unterarm habe ich mir herausschneiden lassen." Sie zeigt uns ihren Arm.

Natalja Moldowanenko (*1927) bewohnt mit ihrer Tochter ein kleines Haus mit Garten, in dem Blumen angepflanzt und Gemüse angebaut wird. Bei gutem Wetter hält sich Natalja Moldowanenko oft im Garten auf.

Sie erzählt ein wenig vom Lagerleben in Malchow, wo sie in einer Rüstungsfabrik arbeitete. Zwei Jahre und vier Monate war sie im Lager, dann sind die Häftlinge von der Sowjetarmee befreit worden und sie kehrte nach Hause zurück.

Natalja ist eine sehr religiöse Frau, an den Wänden hängen viele Ikonenbilder. Sie will für uns und für das Maximilian-Kolbe-Werk beten. Zunächst aber werden wir mit wohlschmeckenden Wareniki, Tee und Süßigkeiten bewirtet. Für die Beihilfe des Maximilian-Kolbe-Werks bedankt sie sich sehr. Sie wird sie für den Kauf von Medikamenten verwenden. Mutter und Tochter sind sehr erfreut und dankbar, dass wir von so weit her gekommen sind, um sie zu besuchen.

Jelena Slobodjanik (*1930) lebt mit ihrem Ehemann in einer geräumigen, gepflegten Wohnung, die sie aber aufgrund von Behinderungen seit drei Jahren nicht mehr verlassen hat. Geschwollene Beine, verkrüppelte Hände aufgrund von Rheuma und Arthrose. 

Die Überlebende des Ghettos Mogilew-Podolskij sitzt lächelnd auf einem Sofa und macht einen recht zufriedenen Eindruck. Das Ehepaar hat zwei Kinder, fünf Enkelkinder und zwei Urenkelkinder, ein weiteres wird erwartet. Sie sind sehr glücklich über ihre Familie und zeigen uns stolz ein Fotoalbum. Sie freuen sich immer sehr, wenn die Familie zum Besuch kommt, was recht häufig der Fall ist.

Jelisaweta Galuschka (*1925) ist eine elegante Dame, die uns zusammen mit ihrer Tochter und der Ehefrau des Enkelsohnes im Garten auf Deutsch begrüßt und ins Haus führt. Sie bewohnt bei ihrem Enkelsohn das geräumigste Zimmer.

"Ich bin Deutsche, mein Vater war in der Ukraine beim Bau einer Mühle beschäftigt und wir wurden als Partisanenunterstützer verdächtigt und verhaftet. Wir sind nach Auschwitz deportiert worden, wo meine Eltern umgekommen sind. Ich 12-jähriges Mädchen und mein kleiner 6-jähriger Bruder blieben nun alleine und mussten arbeiten.

Wenn mein Bruder beim Fegen nicht schnell genug war, erhielt er Schläge und dabei sind ihm die Nieren abgeschlagen worden. Er konnte von diesem Zeitpunkt an nicht mehr das Wasser halten. Deswegen hatte er sowohl im Lager als auch noch nach dem Krieg im Waisenhaus sehr große Schwierigkeiten und wurde oft geschlagen. Er ist früh gestorben. Von Auschwitz kamen wir nach Dora, wo wir von den Amerikanern befreit wurden".

Mykola Butenko (*1923) wohnt mit Tochter und Schwiegersohn in einem Haus mit größerem Garten. Er erzählt viel über das Konzentrationslager Flossenbürg, in dem er schwer arbeiten musste und in dem viele umgekommen sind. Er und seine Tochter zeigen uns Fotos aus früheren Zeiten.

Nachdem wir uns verabschiedet haben und schon ins Auto einsteigen, kommt Mykola noch einmal durch den Garten gelaufen und ruft uns zurück. Er möchte uns noch etwas zeigen. Es sind einige sehr schöne Schrankmöbel, auf Hochglanz poliert, sogar mit eingesetzten Glasscheiben, die er uns stolz präsentiert. Er hat sie selbst angefertigt, was die Tochter bestätigt. Nun verabschieden wir uns endgültig.

Grygorij Zriblow (*1926) erwartet uns auf einer Bank vor dem Haus. Er hat schon nach uns Ausschau gehalten. Seine Tochter kommt dazu und sie führen uns in ihre Wohnung.

Er ist noch sehr rüstig, interessiert, stellt uns Fragen. Er erzählt von seiner Lagerzeit und der Arbeit in der Fabrik. "Ich hatte einen guten deutschen Meister, der mir immer etwas zum Essen mitbrachte. So ging es mir besser. Wir wurden von den Amerikanern befreit und dann von den Russen übernommen und so kam ich in eine Militär-Arbeitskolonne."

Zum Abschied sagt Grygorij: "Grüßen sie Deutschland, grüßen sie Frau Merkel! Und danke, dass man in Deutschland an uns denkt!"

Alla Rejsina (*1936) empfängt uns zusammen mit ihrer Tochter und der Volontärin von der jüdischen Gemeinde in ihrer Wohnung. Sie ist eine kleine, schmächtige Frau, etwas dement, aber sehr beweglich. Ein Gespräch mit ihr ist nicht möglich. Die Tochter wohnt in der Nachbarschaft und kümmert sich um die Mutter. Sie bedankt sich sehr dafür, "dass die Mutter nicht vergessen wird."

Swetlana Omeltschikowa (*1941) lebt in einer blitzsauberen Wohnung mit einem sehr großen Bücherschrank. Ihr Mann war beim Militär und sie waren zwei Jahre lang in Deutschland stationiert. Sie hat ein Studium absolviert.

Ihre Mutter war Ukrainerin, der Vater und dessen Familie jüdisch. Deshalb sollten sie deportiert werden. Sie ist mit ihrer Mutter im letzten Augenblick gerettet worden, weil die Mutter Ukrainerin und keine Jüdin war.

Tatjana Maschina (*1939) ist sehr redefreudig. "Ich habe drei Jahre im Ghetto gelebt. In der Nachbarschaft lebten Ukrainer, die Juden versteckten. Bewacher waren Rumänen und Deutsche. Das Ende sah so aus, dass die Bewacher geflüchtet waren und die Befreier noch nicht da waren. Zwei Tage lang ging das so. Ein 12-jähriger Junge setzte sich auf eins der noch vorhandenen Pferde und ritt umher. Das ist unser Kommandant - scherzten die Menschen." Tatjana wird von einer Volontärin aus der jüdischen Gemeinde betreut, mit der sie sehr zufrieden ist und die sie ausdrücklich lobt.