Maximilian-Kolbe-Werk e.V.

"Die intensivsten Begegnungen" - Hausbesuche bei KZ-Überlebenden

Hausbesuche bei Kranken gehören zu den intensivsten Begegnungen im Maximilian-Kolbe-Werk. Unsere ehrenamtlichen Helfer und Mitarbeiter aus der Geschäftsstelle fahren das ganze Jahr hindurch in die Herkunftsländer von Überlebenden und besuchen sie zuhause.

Bei diesen Besuchen lernen sie die familiären und materiellen Umstände von KZ-Überlebenden kennen und haben ein offenes Ohr für ihre Sorgen und Nöte. Gleichzeitig ermitteln sie die Bedarfslage vor Ort, damit die benötigten Hilfen auf den Weg gebracht werden können.

Im Herbst war das Maximilian-Kolbe-Werk bei Überlebenden der NS-Konzentrationslager in Polen, Russland, Tschechien, Weißrussland und der Ukraine zu Besuch. Pro Projekt (5 - 10-tägig) wurden durchschnittlich 15 KZ- und Ghetto-Überlebende besucht. Die Eindrücke von einigen Begegnungen sind in der folgenden Bildergalerie zusammengefasst.

Bildergalerie

Olena Zewuch (*1933) wohnt mit ihrer Enkelin und drei Urenkeln in einer Ein-Zimmer-Wohnung in Kowel/ Ukraine. Die Überlebende des Konzentrationslagers Majdanek ist vor kurzem zu ihrer Enkelin gezogen, weil sie nicht mehr alleine zurechtkam. "Der Umzug war für meine Großmutter eine große Umstellung, doch es gab keine andere Möglichkeit". Nach dem Krieg arbeitete Frau Zewuch 40 Jahre als Zahnärztin. "Doch ihre Rente reicht heute kaum zum Überleben", beklagt sich die Enkelin.
Wanda Rad (*1926) aus Lutzk/ Ukraine ist Majdanek-Überlebende. Die ehemalige Polnischlehrerin lebt allein in einer Doppelhaushälfte. Das Haus ist sehr alt, renovierungsbedürftig und schlecht isoliert. „Während der Heizperiode von Oktober bis April muss ich monatlich 1200 Griwna für die Heizkosten ausgeben. Und das bei einer Rente von 2500 Griwna (ca. 80 Euro)",erzählt sie Andrea Steinhart aus der Geschäftsstelle des Kolbe-Werks. Trotz dieser sehr schwierigen Situation behält sie ihre Lebensfreude.
Pylyp Bondartschuk (*1924) lebt mit seiner Frau in Ostroh im Nordwesten der Ukraine. Er hat das KZ Mauthausen überlebt. "Meine Frau und ich haben immer gearbeitet, doch unsere Renten sind heute so niedrig, dass sie gerade für das Brot reichen. Das Leben ist sehr hart", erzählt er Liliya Doroshchuk. Die beiden Senioren können aktuell nicht mehr fernsehen, was ihre einzige Ablenkung von alltäglichen Sorgen war. "Wir brauchen einen Tuner, den wir uns nicht leisten können". Als wir Herrn Bondartschuk eine finanzielle Beihilfe überreichen und fragen, ob er nun einen Tuner kaufen wird, sagt er: "Zuerst muss ich Brennholz für den Winter kaufen. Der Tuner kommt danach".
"Von der Begegnung mit Frau Chojnacka waren wir sehr beeindruckt“, berichtet das Ehepaar Silvia und Matthias Mader aus Dresden über den Besuch bei der Ravensbrück-Überlebenden Franciszka Chojnacka in Torun/ Polen. „Diese willensstarke, unerschütterlich wirkende Frau, die mit 98 Jahren jeden Tag die Treppen in den 3. Stock bewältigt, hat uns bewegt, auf wunderbare Weise gestärkt und beschenkt“.
(v.r.n.l.: Silvia Mader, die Dolmetscherin Bettina Kotzurek, Franciszka Chojnacka, die Vertrauensfrau Anna Miraszewska).
Henryk Lupkowski (76) aus der Nähe von Torun war als kleines Kind im Lager Potulice interniert. „Er ist seit einem Jahr verwitwet und wohnt mit seiner behinderten Tochter Ewa“, erfahren wir von unseren ehrenamtlichen Helfern Silvia und Matthias Mader.

Krystyna Kozak (* 1928) erzählte dem Ehepaar Mader sehr ausführlich ihre Geschichte über die Internierung im Lager Potulice. „Ihre Schilderungen nahmen uns gefangen. Sie ist eine begnadete Erzählerin“. Frau Kozak kam früher regelmäßig als Zeitzeugin nach Deutschland.
Edward Smaga (*1926) aus Lublin hat das Konzentrationslager Majdanek überlebt. Er wohnt alleine und wird täglich von einer Pflegekraft versorgt. „Für die hohen Pflegekosten muss er selbst aufkommen“, berichten die ehrenamtlichen Projektbegleiter Antje Hugle und Herbert Meinl aus Tettnang.
Auch Halina Sadkowska (*1925) aus Lublin wohnt alleine. „Der Majdanek-Überlebenden fällt es schwer, die alltäglichen Verrichtungen allein zu bewältigen“, erzählt uns Antje Hugle. Wir werden einen Pflegedienst beauftragen, damit Frau Sadkowska Unterstützung im Haushalt bekommt.
Wieslaw Cislak aus Friedrichshafen hat das Krankenbesuchsprojekt in Lublin als Dolmetscher begleitet und für gute Verständigung gesorgt.
Hausbesuch bei Dr. Vojmir Srdecny (*1919) in Prag: Das Ehepaar Wilburg und Peter Schneider aus Wasserburg besuchte den Überlebenden des KZ Sachsenhausen in seiner Wohnung in der tschechischen Hauptstadt.
Jarmilla Platenikova (94) aus Prag kommt noch alleine gut zurecht und macht "lieber alles selber". Sie beklagt jedoch geistiges Nachlassen. Frau Platenikova hat zwei Kinder, der Sohn schaut dreimal in der Woche nach ihr.
Mikulas Bröder (*1928) war während des 2. Weltkriegs in einem Ghetto in der Slowakei inhaftiert und schloss sich später den Partisanen an. Seine Frau ist kürzlich verstorben. Er wohnt im Heim für Sozialpflege "Hagibor" in Prag, wo er gut versorgt wird.
„Ivan Ivanov, geboren 1926, besuchen wir in seinem originellen Sommerhaus, von ihm geschnitzt, dekoriert und bemalt“, erzählt Karin Ruppelt aus Berlin, die mit Herbert Meinl (rechts) zu Hausbesuchen in Südrussland war. „Die ehemalige Schwiegertochter kümmert sich um ihn und das Haus. Im Winter lebt der Dachau-Überlebende bei seinem Sohn in Azov. Er trainiert Körper, Geschicklichkeit, Hirn und kann alle deutschen Bundesländer aufzählen.“
Lidija Voronzova (* 1926) aus Rostov-am-Don wird liebevoll von ihrer Tochter Olga betreut, abwechselnd mit den anderen Kindern und Enkeln. „Während unseres Besuchs muss sie wegen der Erinnerungen, die hochgekommen sind, weinen“, sagt Karin Ruppelt. „Die Familie wusste lange nichts von ihrem Schicksal, weil die Ravensbrück-Überlebende nach dem Krieg Angst hatte, zu sprechen."
Evgenij Moisseev (*1927) aus Rostov-am-Don/ Russland hat die Konzentrationslager Mauthausen und Stutthof überlebt. Sein Schicksal ist in einem Buch beschrieben. Er wohnt in einer schönen Wohnung mit seiner Frau, die Orchester-Dirigentin ist. Die Tochter des Paars ist früh verstorben.
Larisa Lugowskaja (*1936) aus Polozk/ Weißrussland kann nicht laufen und hat geschwollene, lilafarbene Beine. Dass sie nur sitzen und liegen kann, belastet sie sehr. Die Auschwitz-Überlebende war „sehr glücklich, dass sie besucht wurde und über all ihre Probleme sprechen konnte“, erzählt Georgia Matthias, DAAD-Lektorin an der Uni Polozk, die im Auftrag des Kolbe-Werks Hausbesuche machte. Larisa Lugowskaja wird von ihrer Tochter gepflegt, die selbst Rentnerin ist.

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