Maximilian-Kolbe-Werk e.V.

ZUM 74. JAHRESTAG DES ENDES DES ZWEITEN WELTKRIEGS

Die Befreiten

Sie wurden verfolgt, gehasst und zur Zwangsarbeit getrieben - ehemalige Häftlinge nationalsozialistischer Konzentrationslager und Ghettos. Vor 74 Jahren, am 8. Mai 1945 endete der 2. Weltkrieg. Auch die KZ-Häftlinge wurden befreit.

Manche von ihnen schließen ihre Erinnerungen wie einen kostbaren Schatz ein. Andere erzählen davon, was uns immer wieder sehr berührt. Deshalb möchten wir Ihnen zwei Überlebende mit ihrem ganz persönlichen Befreiungstag vorstellen.

Ignacy Golik (*1922), Warschau (Polen)

"Ich wurde am 1. Mai 1945 aus meiner Knechtschaft befreit. Wir waren seit Stunden unterwegs. Weil die Rote Armee anrückte, hatte die SS das Konzentrationslager Barth räumen lassen und uns Richtung Rostock getrieben.

In Barth mussten wir Teile für die Heinkel-Flugzeugwerke herstellen. Wir wurden misshandelt, litten an Hunger und Kälte - viele starben. Ich war damals 23 Jahre alt und wog noch 42 Kilogramm.

Für den Marsch bekam jeder von uns ein Stück Brot und durfte eine Decke und Schüssel mitnehmen. Immer wieder mussten wir die Straße wegen der fliehenden Zivilisten und der Militärfahrzeuge verlassen und über die Felder gehen.

Vor Rostock kamen die sowjetischen Jäger. Panik brach aus. Unsere Bewacher flohen. Wir Häftlinge waren auf einmal allein. Meine Kameraden und ich liefen in den Wald und versteckten uns. Sowjetische Soldaten, die die Gegend absuchten, sagten uns dann, dass wir frei sind. Das Martyrium war beendet - mein Leben ging weiter."

Ignacy Golik ist heute 97 Jahre alt. Er hat die Konzentrationslager Auschwitz, Sachsenhausen und Ravensbrück-Barth überlebt. Nach dem Krieg arbeitete er als Journalist und sagte in den 60er Jahren beim Auschwitz-Prozess in Frankfurt als Zeuge aus. Trotz seines Alters kommt er immer noch regelmäßig als Zeitzeuge nach Deutschland. Vom 19. bis 25. Mai 2019 spricht er im Rahmen eines Zeitzeugenprojekts vor Jugendlichen in Ockenheim/ Rheinland-Pfalz.  

Marian Majerowicz (*1926), Warschau (Polen)

"Den 9. Mai 1945 habe ich heute noch vor meinem Auge - da wurde ich befreit. Es war ein wunderschöner, sonniger Tag. Wir waren kurz vor Prag. Beim Anblick der sowjetischen Soldaten haben unsere Bewacher ihre Gewehre weggeschmissen.

Zuvor waren wir schon monatelang unterwegs. Hinter mir lagen Jahre der Zwangsarbeit und das Konzentrationslager Auschwitz. Als die Rote Armee immer näher kam, lösten die Deutschen das KZ auf und wir wurden Richtung Westen getrieben. Es war entsetzlich kalt. Als wir im Januar losgingen, waren wir 1200 Häftlinge. Bei der Befreiung vor Prag waren nur noch 105 übrig. Alle anderen waren auf dem Marsch erschossen, verhungert oder an Erschöpfung und Schwäche gestorben. Manchmal wollten uns Menschen am Straßenrand Brot zuwerfen, Kartoffeln oder uns etwas zu trinken geben - aber alle wurden sofort weggejagt.

Bis heute fahre ich jedes Jahr am Jahrestag der Befreiung von Auschwitz in die südpolnische Stadt Oswiecim. Dort erinnere ich mich an meine jüdische Familie, an meine Eltern und an meinen damals dreijährigen Bruder, die alle Auschwitz nicht überlebten haben. Am 27. Januar bin ich in Gedanken immer ganz bei ihnen."

Marian Majerowicz ist heute 93 Jahre alt und lebt in Warschau. Nach dem Krieg holte er das Abitur nach und schlug eine Militärlaufbahn ein.