Maximilian-Kolbe-Werk e.V.

Zeitzeugenprojekt in Freiburg

4. - 8. November 2019

Alodia Witaszek-Napierala spricht an der Katholischen Hochschule

Die Polin Alodia Witaszek-Napierala (81) hat ein anderes Schicksal, als man es vielleicht aus Zeitzeugengesprächen mit KZ- und Ghettoüberlebenden kennt. Während des 2. Weltkriegs wurde sie ihrer Mutter entrissen und als "Waisenkind" einer deutschen Familie zur Adoption übergeben.

Alodia ist eine von bis zu 200.000 polnischen Kindern, die zwangsgermanisiert wurden. Über ihre bewegende Lebensgeschichte sprach sie am 7. November an der Katholischen Hochschule Freiburg.

Die Veranstaltung war Teil des Zeitzeugenprojekts, das vom Maximilian-Kolbe-Werk vom 4. bis 8. November 2019 in Freiburg durchgeführt wurde. Die vier KZ- und Ghettoüberlebenden Zdzislawa Wlodarczyk, Krystyna Budnicka und Alodia Witaszek-Napierala aus Polen sowie Michaela Vidláková aus der Tschechischen Republik haben 13 Schulen in Freiburg und Umgebung besucht, um Schülerinnen und Schülern ihre Erfahrungen aus der Zeit des Nationalsozialismus weiterzugeben und Fragen zu beantworten.

Zahlreiche Studierende wollten die bewegende Geschichte von Alodia Witaszek-Napierala hören
Alodia als kleines Mädchen

Geraubtes Kind

Alodia war fünf Jahre alt, als ihr Vater 1943 als Widerstandskämpfer von den Nationalsozialisten hingerichtet wurde. Nach der Verhaftung der Mutter blieben die fünf Kinder im Alter von einem bis acht Jahren allein zurück. Alodia kam in das Kinderverwahrlager Litzmannstadt, denn aufgrund ihrer blonden Haare und blauen Augen wird sie als "rassenützlich" eingestuft. Sie erhielt einen deutschen Namen "Alice" und wurde als "Geschenk des Führers" einer deutschen Familie zur Adoption übergeben.

Alodias Mutter überlebte die Konzentrationslager Auschwitz und Ravensbrück. Nach Kriegsende suchte sie zwei Jahre lang nach ihrer verschleppten Tochter. Kurz vor Weihnachten 1947 kehrte Alodia in ihre fast vergessene Familie zurück. Den Kontakt zu ihrer deutschen Familie gab sie nie auf. Ihre polnische Mutter und ihre deutsche "Mutti" lernten sich Jahre später kennen und schließen sogar Freundschaft.

=> Buchtipp: "Alodia, Du bist jetzt Alice!": Kinderraub und Zwangsadoption im Nationalsozialismus

Zdzislawa Wlodarczyk und die Dolmetscherin Petra Klutzka

"Die Bilder des Krieges lassen mich nicht los"

Auch Zdzislawa Wlodarczyk (*1933) wurde durch den Krieg einer glücklichen Kindheit beraubt und wird bis heute von schlimmen Erinnerungen gequält. Am 5. November sprach die Auschwitz-Überlebende vor 330 Studierenden und anderen Interessierten an der Uni Freiburg. Organisiert wurde der Abend aus der Reihe "Zeitzeugen der NS-Zeit im Gespräch" in Zusammenarbeit mit Colloquium politicum der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und der Landeszentrale für politische Bildung Freiburg.

Detailliert und voller Emotionen schilderte Zdzislawa Wlodarczyk ihre Erinnerungen an den 2. Weltkrieg, erzählte über ihre Erlebnisse während der Niederschlagung des Warschauer Aufstands im Jahr 1944 sowie über die anschließende Deportation ihrer Familie nach Auschwitz. 

Tief berührt waren die Zuhörer von der Erzählung der Auschwitz-Überlebenden

Über den Kriegsbeginn berichtete sie: "Die grauenvollen Septembertage 1939 habe ich immer noch vor Augen. Ich sehe die tieffliegenden Flugzeuge und höre die Detonationen der Bomben, die auf uns Zivilisten fielen."

Beeindruckt und tief berührt waren die Zuhörer von der Erzählung der Zeitzeugin in ihrer Muttersprache Polnisch, die von Petra Klutzka, Ehrenamtlichen des Kolbe-Werks, ins Deutsche übersetzt wurde.

"Schwer zu ertragen war es für mich, als Frau Wlodarczyk über die Trennung von ihren Eltern im Konzentrationslager Auschwitz sprach sowie die schlimmen Lebensbedingungen in der Kinderbaracke von Auschwitz-Birkenau schilderte, wo sie als Elfjährige mit ihrem kleinen Bruder interniert wurde", sagte eine Zuhörerin.

"Die Kriegserinnerungen tun mir weh", betonte die 86-jährige Zdzislawa Wlodarczyk, "aber ich muss darüber berichten, damit sich das nicht wiederholt".

Zeugen der Zeitzeugen

"Es ist wichtig, dass die jungen Menschen uns Zeitzeugen gut zuhören, denn wenn es uns nicht mehr gibt, müssen sie gegen das Vergessen eintreten", sagen die KZ- und Ghettoüberlebende immer wieder. Diesen Wunsch der Zeitzeugen möchte Dorota Nowakowska aus Bydgoszcz zu ihrer Aufgabe machen. Sie ist die Tochter des im letzten Jahr verstorbenen KZ-Überlebenden Jacek Zieliniewicz (1926 - 2018), der viele Jahrzehnte als Zeitzeuge in deutsche Schulen ging.

Dorota Nowakowska möchte die Erinnerungen ihres verstorbenen Vaters Jacek Zieliniewicz weitergeben

Als 17-Jähriger wurde er verhaftet und in das Konzentrationslager Auschwitz gebracht. 1944 verschleppte man ihn in das KZ Dautmergen bei Rottweil, wo die Lebensbedingungen nach seiner Aussage noch schlimmer als in Auschwitz waren.

Im kleinen Kreis der Ehren- und Hauptamtlichen des Maximilian-Kolbe-Werks sowie den polnischen Zeitzeuginnen erzählte Dorota Nowakowska die Geschichte ihres Vaters und sprach von ihrer Motivation, seine Erinnerungen am Leben zu erhalten:

"Trotz all der Erlebnisse war mein Vater ein Mensch voller Mitgefühl und Empathie und ein Vorbild für uns," sagte sie. "Ich hoffe, dass seine Worte in Erinnerung behalten werden: 'Es gibt keine guten oder bösen Völker, es gibt nur gute oder böse Menschen'".


Das Zeitzeugenprojekt in Freiburg wurde von Ehrenamtlichen des Maximilian-Kolbe-Werks begleitet und von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg gefördert.