Maximilian-Kolbe-Werk e.V.

"Ich hatte keinen Namen mehr"

Ein digitales Zeitzeugengespräch mit Anastasia Gulei

(Bericht von Pfr. Dr. Jens Dechow, Geschäftsführer des Jugend- und Bildungswerks im Evangelischen Kirchenkreis Münster)

Schüler/innen des Johann-Conrad-Schlaun Gymnasiums moderieren das digitale Zeitzeugengespräch mit Anastasia Gulei.
(Foto: Jens Dechow)

24.09.2021     "Ich hatte keinen Namen mehr. Ich war eine Nummer." Eindrücklich schilderte am Donnerstag, den 23. September 2021, in einem digitalen Zeitzeugengespräch Anastasia Gulei, Verfolgte des Nationalsozialismus aus der Ukraine, ihre Geschichte.

Moderiert von Schülerinnen und Schülern des Johann-Conrad-Schlaun Gymnasiums unter Leitung ihrer Lehrerin Kathrin Meier-Kolthoff, berichtete die Zeitzeugin von Zwangsarbeit, Fluchtversuchen, den Schrecken der Konzentrationslager und der dauerhaften Angst vor dem Sterben, das tausendfach um sie herum geschah.

Fast 700 Schülerinnen und Schüler aus 16 Schulen in Münster und dem Münsterland waren der Einladung des Evangelischen Kirchenkreises Münster und des Maximilian-Kolbe-Werkes gefolgt und hatten sich als Klassen und Jahrgangsstufen in das 90minütige Webinar eingeloggt.

"Krieg kommt in der Schule oft daher als vergangene Geschichte. Für mich ist es mein Gestern." Diese Unmittelbarkeit der damaligen Ereignisse wurde immer wieder eindrücklich erlebbar - etwa als Anastasia Gulei schilderte, wie sie während der Zwangsarbeit feststellen musste, dass die auf den Feldern zur Düngung ausgebrachte Asche die Asche ihrer getöteten Mitgefangenen war.

Spätestens als sie ihren Arm mit der tätowierten Häftlingsnummer 61369 in die Kamera hielt, war von dem räumlichen Abstand zwischen Deutschland und der Ukraine nichts mehr zu spüren. Dass die Lebensgeschichte von Frau Gulei den Schülerinnen und Schülern nahekam, ließen die Fragen aus dem Chat deutlich werden, die im zweiten Teil das Gespräch leiteten.

Anastasia Gulei im Jahr 1948
Anastasia Gulei heute

Das Gespräch, das anlässlich des 80. Jahrestages des Überfalls auf die Sowjetunion im Rahmen des Friedenskulturmonats September organisiert worden war, soll nicht das letzte bleiben, betont Pfr. Dr. Jens Dechow vom Evangelischen Kirchenkreis Münster. "Wir haben durch das digitale Format auf sehr unkomplizierte Weise die Chance, jungen Menschen im Münsterland die Begegnung mit den wenigen noch lebenden Zeitzeugen zu ermöglichen."

Wie wichtig diese Begegnungen für beide Seiten sind, brachte Anastasia Gulei selbst zum Ausdruck: "Dass ich überlebt habe, hat einen Sinn darin, dass ich meine Geschichte an euch weitergeben kann. Was ich erlebt habe, ist die Vergangenheit. Ihr seid die Zukunft. Ihr dürft bald wählen, dürft selbst politische Verantwortung übernehmen. Tut alles dafür, dass so etwas nie wieder geschieht."

Schüler/innen des Johann-Conrad-Schlaun Gymnasiums Münster folgen dem Zeitzeugengespräch mit Anastasia Gulei.
(Foto: Schlaun Gymnasium Münster)