Maximilian-Kolbe-Werk e.V.

"Das Kolbe-Werk öffnet Türen und Herzen"

Zu Besuch bei Überlebenden in Warschau

Marianne Drechsel-Gillner (links) fuhr zu Krankenbesuchen nach Warschau.

05.11.2021     Zehn Tage lang war unsere Ehrenamtliche Marianne Drechsel-Gillner in Warschau unterwegs, wo sie nach langer Pause wieder KZ- und Ghetto-Überlebende besuchte. "Die Besuche in diesem Jahr waren stark geprägt von der Pandemie und der damit verbundenen Isolation", erzählt sie. "Die Sehnsucht nach Begegnung war riesengroß. Noch stärker als bei Krankenbesuchen der vergangenen Jahre war die Einsamkeit zu spüren. Entsprechend froh und dankbar waren die KZ- und Ghetto-Überlebenden für diesen Besuch aus Deutschland. Diesbezüglich öffnet das Maximilian-Kolbe-Werk ihre Türen und Herzen."

Die täglichen Hausbesuche absolvierte Marianne Drechsel-Gillner in Begleitung von Zuzanna Zawada, Krankenschwester und Sozialarbeiterin, die sich im Auftrag des Maximilian-Kolbe-Werk um die KZ- und Ghetto-Überlebenden in Warschau kümmert. "In diesen Tagen kamen wir mit 16 KZ- und Ghetto-Überlebenden bei Einzelbesuchen ins Gespräch", freut sich Marianne Drechsel-Gillner, war sie doch zuletzt vor knapp drei Jahren in Warschau.

Apolonia Dolinska (102) freute sich über den Besuch aus Deutschland.

"Vor knapp drei Jahren besuchten wir schon Frau Apolonia Dolinska, die mittlerweile 102 Jahre alt ist", sagt Marianne Drechsel-Gillner. "Die Wiedersehensfreude war groß! Da wir uns schon kannten, konnten wir auch an alte Themen anknüpfen." Zwei Konzentrationslager, Auschwitz und Ravensbrück, hat Apolonia Dolinska während des Zweiten Weltkriegs überlebt. 1939, kurz vor Kriegsbeginn, war sie gerade mal 20 Jahre alt. Dass sie mit solch einem langen Leben beschenkt werden würde, hätte sie nicht gedacht. "Nach alledem, was ich in meiner Jugend erlitten habe, ist es unfassbar. Trotzdem bin ich dankbar für jedes Lebensjahr".

Weitere Begegnungen mit Überlebenden fanden im Rahmen der Einladung im "Klub der ehemaligen Häftlinge des KL Ravensbrück" sowie beim Besuch der Ausstellung im "Aktive Erinnerungskultur - Zeugnisse der weiblichen KZ-Häftlinge" im Unabhängigkeits-Museum statt.

Begegnungen und Austausch im "Klub der ehemaligen Häftlinge des KL Ravensbrück".

"Es war für mich eine große Freude, mit mehreren mir inzwischen sehr gut bekannten Damen im Klub der ehemaligen Häftlinge des KL Ravensbrück zusammen zu kommen", sagt Marianne Drechsel-Gillner. Die Hannoveranerin begleitete viele von ihnen mehrmals als Dolmetscherin und Betreuerin bei Zeitzeugenprojekten und Erholungsaufenthalten des Maximilian-Kolbe-Werks in Deutschland.

"Während unserer Begegnung kamen natürlich Erinnerungen an frühere Treffen, sei es in Köln oder Bingen, aber vor allem in Lingen", erzählt sie. "Die beiden ältesten Damen Irena Jaszczuk und Alicja Nesterowicz, beide Jahrgang 1926, also stolze 95 Jahre alt, die 2011 in Lingen waren, schwelgten in Erinnerungen und beauftragten mich, in der Geschäftsstelle in Freiburg auszurichten, sie seien sofort bereit, wieder nach Lingen zu fahren!"


Bildimpressionen

(Bilder und Bericht von Marianne Drechsel-Gillner)

Die Auschwitz-Überlebende Halina Brzozowska-Zdunczyk (89) leidet an Alzheimer und Parkinson. Als wir kamen, lag Frau Brzozowska im Bett. Sie freute sich sehr, als ich sie mit einer Rose begrüßte. Ihre Tochter, die mit ihr wohnt, setzte ihre Mutter in einen Rollstuhl und fuhr sie ins Wohnzimmer, wo wir uns unterhalten konnten. Frau Brzozowska erzählte lebhaft von ihrem Besuch und den Begegnungen in Lingen.
Bogdan Kinczewski ist alleinstehend. Als der Krieg endete, war er 17 Jahre alt und überlebte die Haft in den Konzentrationslagern Auschwitz und Buchenwald. Eine Familie konnte er nicht gründen. Herr Kinczewski erzählt, dass er recht einsam ist und sich weiterhin mit Radio- und Fernsehtechnik beschäftigt, was er schon beruflich machte. Der 94-Jährige freute sich über unseren Besuch und winkte uns zum Abschied noch vom Balkon aus nach.
Zofia Majewska-Michalska ist inzwischen 94 Jahre alt. Frau Majewska erfreut sich ihres langen Lebens, trotz harter Schicksalsschläge: Bei einem Autounfall ist ihre Tochter und Enkeltochter umgekommen. Die Kinder der toten Tochter wohnen bei ihr, der Schwiegersohn in der Nachbarwohnung. Frau Majewska ist eine freundliche, heitere, humorvolle alte Dame. Die Überlebende von Auschwitz und Bergen-Belsen freut sich so über unseren Besuch, dass sie uns mit Andenken beschenkt, damit wir an sie eine Erinnerung behalten.
Beim Besuch bei Teresa Lassota, Ravensbrück-Überlebende, herrscht große Wiedersehensfreude. Über die Zeit in Ravensbrück und den Todesmarsch will die 81-Jährige nicht sprechen. Umso mehr erzählt sie von ihrer Familie und zeigte Fotos von Töchtern, Enkelin und fünf Urenkel. Frau Lassota wünscht sich mehr Besuche und Kontakte, da sie nach einer Wirbelsäulenversteifung nicht mehr so mobil ist und selten aus dem Haus geht.
Janina Bernacinska (97) wohnt im ehemaligen Atelier im 5. Stockwerk. Sie ist Kunsthistorikerin, umgeben von Büchern und Bildern, einem Selbstbildnis ihres Mannes auf dem Schreibtisch. Die Ravensbrück-Überlebende wirkt in dieser Umgebung gelassen und sehr zufrieden. In der Wohnung bewegt sie sich mit einer Gehhilfe.
Herzlich empfangen wurden wir von den Schwestern Jozefa Baranska (Bild) und Hanna Gontarczyk (nächstes Bild), die seit einiger Zeit zusammenwohnen. Jozefa Baranska (Jahrgang 1931) ist die ältere Schwester. Im Alter von zwölf bzw.13 Jahren wurden die beiden im Zuge der Niederschlagung des Warschauer Aufstands ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert und später nach Ravensbrück verlegt.
Es war ein langer Besuch, mit guten Gesprächen, vielen Erinnerungen und spannenden Erzählungen. Es fiel uns nicht lang, uns loszureißen und weiterziehen zu müssen.
Alicja Kubecka (Mitte) haben Zuzanna Zawada (links) und ich in der Wohnung ihrer Tochter Anna besucht, wo sie seit einiger Zeit lebt, während ihre Wohnung renoviert wird. Mit dabei war auch die Ravensbrück-Überlebende Barbara Piotrowska. Da wir uns sehr gut kennen, unterhielten wir uns zwanglos über Gott und die Welt, Geschichte und Musik.
Am Abend vor der Abreise saßen wir, Zuzanna Zawada, Barbara Piotrowska (links) und ich, noch zusammen, um den Aufenthalt zu besprechen. Frau Piotrowska ließ es sich nicht nehmen, mich am nächsten Tag zum Bahnhof zu bringen. Am Morgen kam sie mit ihrer Tochter zum Hotel und wir fuhren zum Bahnhof. Der Abschied fiel uns sehr schwer, aber immer noch mit der Hoffnung aufs baldige Wiedersehen.