Schirmherrschaft
Die Internationale Begegnung für Nachwuchsjournalisten steht seit 2014 unter der Schirmherrschaft des Chefredakteurs des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF), Herrn Dr. Peter Frey.
Grußwort des Schirmherren an die Teilnehmer
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
am 27. Januar 1945 wurde das Konzentrationslager Auschwitz befreit. Das ist nun 71 Jahre her und doch ist das hässliche Gesicht des Antisemitismus seitdem kein bisschen gealtert - im Gegenteil. Erst vor wenigen Wochen ging in Frankreich ein Schüler mit einem Messer auf einen Lehrer los - weil der Pädagoge mit seiner Kippa als gläubiger Jude zu erkennen war. Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde von Marseille schlug daraufhin vor, die Kopfbedeckung vorerst nicht mehr auf der Straße zu tragen. Seitdem wird in Frankreich darüber diskutiert, ob Juden auf äußere Zeichen ihrer Religion verzichten sollten.
Aus Angst vor antisemitischen, gewalttätigen Angriffen die eigene Religion verleugnen müssen - bei diesem Gedanken sind sie sofort da: die Bilder der Bestialität, Barbarei und Unmenschlichkeit der Nationalsozialisten. Es sind Bilder - schwarz-weiß, verwackelt und ohne Ton. Denn die meisten von uns haben keine eigene, echte, gelebte Erinnerung. Wir befinden uns an einem Wendepunkt - denn wie lange noch wird es dauern, bis die Stimmen derjenigen verstummen, die die Gräuel mit ihren eigenen Augen gesehen und die Unbarmherzigkeit am eigenen Leib gespürt haben?
Diese Bilder nicht verblassen zu lassen, sie wieder und wieder anzusehen - das tut immer auch weh. Und doch sollten und müssen wir es, denn wie hat der damalige Bundespräsident Roman Herzog im Januar vor 20 Jahren gesagt: "Ohne Erinnerung gibt es weder Überwindung des Bösen noch Lehren für die Zukunft." Umso wichtiger ist es, die Erinnerung wach und lebendig zu halten. Denn die Auseinandersetzung mit der Schuld der Vergangenheit ist ein zentraler Faktor der deutschen Identität. Sie bestimmt den politischen Diskurs, die wissenschaftliche Debatte, den Stoff unserer Schulkinder und nicht zuletzt den öffentlichen Raum. Die Deutschen wollten diejenigen sein, die ihre Vergangenheit selbst und gründlich aufarbeiteten. Die Politik schaffte die Rahmenbedingungen für die Erinnerungskultur, setzte Gelder entsprechend ein, schaffte Grundlagen für wissenschaftliche Aufarbeitung, Geschichtsunterricht in Schulen und setzte Zeichen durch öffentliches Gedenken.
Erinnerung als Fundament für unsere Zukunft - eine Zukunft, die im Moment so ungewiss scheint wie seit Jahren nicht mehr. Europa hat es schwer in diesen Tagen, in denen sogar ein Scheitern der EU nicht mehr unmöglich erscheint. Das Trennende beschäftigt uns sehr viel mehr als das Verbindende. Die Flüchtlingskrise, die tiefe Gräben gerissen hat, wissen Rechtspopulisten für sich zu nutzen. In der Vergangenheit haben sich Europäer gemeinsam für die Freiheit eingesetzt und die europäische Einigung war ein wichtiger Schritt auf dem Weg hin zur Versöhnung unter den Völkern Europas. Aus der Erinnerung an die gemeinsame Vergangenheit erwächst so die Verantwortung für eine gemeinsame Zukunft.
Der Staat hat aber keineswegs das Monopol für die Erinnerung. Erinnerungskultur muss in der Gesellschaft wachsen, getragen werden durch viele kleinere und größere Initiativen bürgerlichen Engagements. Medien und Journalisten wirken hier quasi als Verstärker. Sie bringen die Diskurse in die Breite, äußern aber auch Kritik an herrschenden Interpretationen und stellen so einen wichtigen Kontrollmechanismus dar. Vor allem die Massenmedien sind in der Pflicht - mit ihren Programmen, die viele Millionen Menschen erreichen und so zum Entstehen von Erinnerungskultur beitragen. Es liegt in unserer Verantwortung, die Erinnerung zu bewahren. Deshalb hoffe ich, dass das Projekt des Maximilian-Kolbe-Werks Ihnen die Gelegenheit gibt, über Ihr Verständnis von Erinnerungskultur zu reflektieren und neue Ideen für das Erinnern zu entwickeln. Denn noch haben Sie die Möglichkeit, die Stimmen der KZ- und Ghetto-Überlebenden zu hören.
Peter Frey