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Freiwilligendienst in Corona-Zeiten

25.03.2021     Moritz John engagiert sich seit mittlerweile sieben Monaten als Freiwilliger in unserem Sozialmedizinischen Zentrum in Lodz. Vor kurzem schickte er uns einen Bericht, in dem er besondere Momente aus seinem Freiwilligendienst schildert und erzählt, wie die Pandemie seine Arbeit beeinflusst.

Wie sieht mein Arbeitsalltag konkret aus und was sind meine Aufgaben?

Moritz bringt täglich ein warmes Mittagessen zu den Senioren nach Hause

Meine Hauptaufgabe ist derzeit die Unterstützung meines Arbeitskollegen Jurek beim Essen-auf-Rädern-Dienst für KZ- und Ghettoüberlebende in Lodz. Die Pandemie beeinflusst unsere Arbeit deutlich. Wenn wir die alten Menschen besuchen, halten wir uns an Hygieneregeln und treffen alle Schutzmaßnahmen, um sie nicht zu gefährden. Längere Aufenthalte und Gespräche sind aktuell nicht möglich. Trotzdem freuen sich die Überlebenden immer, wenn wir kommen, denn viele von ihnen sind sehr einsam. 

Meistens ist Jurek der Fahrer und ich trage das Essen aus. Ich versuche immer, mich ein wenig mit den Überlebenden zu unterhalten und zu fragen, wie es ihnen geht. Manchmal erzählen sie mir auch etwas über ihr Leben. Letztens hat mir eine Dame zum Beispiel ihre Auschwitz-Nummer und das rote Gefangenensymbol mit dem eingenähten P gezeigt, das damals auf ihrer Häftlingskleidung gespickt war. Das nimmt einen natürlich mit. 

Mir tut das so leid, was die Menschen damals durchmachen mussten. Oft merke ich, dass diese Erlebnisse sie immer noch sehr beschäftigen, obwohl es schon so lange her ist. Andererseits fühle ich mich geehrt, dass die Überlebenden mir das Vertrauen schenken und dass es ihnen überhaupt nichts ausmacht, dass ich Deutscher bin.

Moritz und Jurek nehmen eine Paketlieferung entgegen
Beim Einpacken und Versenden von Weihnachtspaketen an KZ-Überlebende

Außerdem helfe ich bei anfallenden Arbeiten im Zentrum mit: beim Versenden von medizinischen Hilfsmitteln, beim Ausräumen und Sortieren von neuen Paketlieferungen aus Deutschland, beim Versenden von (Weihnachts-)Paketen sowie beim Aufräumen des Lagerraumes.

Besondere Momente des Freiwilligendienstes

Besondere Momente erlebe ich immer bei einem Herrn, dem ich das Mittagessen bringe. Er erzählte mir, dass er in den 70er und 80er Jahren in Deutschland gelebt und unter anderem als Sänger gearbeitet hatte. Immer, wenn ich vorbeikomme, singt er für mich und hat eine Redewendung auf Deutsch parat. Er sagt auch, dass Deutsch eine sehr schöne Sprache ist, aber eben auch sehr schwer. Ich dachte mir das gleiche über Polnisch.

Ich bin dankbar, diese Zeit in Lodz erleben zu dürfen. Es ist eine besondere Erfahrung, die die Weltansicht eines jungen Menschen wie mich positiv verändert und bereichert. Sie hilft mir, Polen mit seiner einzigartigen Kultur und seinen hilfsbereiten Menschen kennenzulernen und besser zu verstehen. Diese Erfahrung wird mich mein ganzes Leben lang prägen.


Die Freiwilligenstellen im Sozialmedizinischen Zentrum Lodz werden seit 2010 von der Stiftung zur Unterstützung von Jugend und Alter in Nettetal gefördert.

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