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Hilfs- und Begegnungsprojekt für die KZ- und Ghettoüberlebenden in Minsk/ Belarus

Vom 20. bis 23. Juni 2016 besucht ein kleines Team des Maximilian-Kolbe-Werks rund 160 KZ- und Ghettoüberlebende in der Stadt und Region Minsk. Sechs von ihnen stellen wir Ihnen unten vor. Der Geschäftsführer des Werkes Wolfgang Gerstner und die Projektkoordinatorin Dr. Danuta T. Konieczny werden jedem im Namen der Spenderinnen und Spender aus Deutschland eine finanzielle Beihilfe von 300 Euro persönlich überreichen. Kranke und Bettlägerige werden zu Hause besucht. In Minsk wurden zuletzt im Jahr 2007 245 Überlebende mit einem ähnlichen Projekt unterstützt.

Minsk während des Zweiten Weltkriegs

Drei Tage nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion wurde Minsk bombardiert. Am 28. Juni 1941 wurde die Stadt von deutschen Truppen eingenommen. Zehntausende Minsker wurden bis zu der Befreiung am 3. Juli 1944 ermordet oder zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt.

Bis Juni 1941 zählte Minsk ca. 80 000 jüdische Einwohner, ein Drittel der Gesamtbevölkerung. Nur wenige konnten in den sechs Tagen zwischen dem deutschen Einmarsch und der Eroberung von Minsk aus der Stadt fliehen. Am 20. Juli 1941 wurde die Errichtung eines Ghettos angeordnet, das 34 Straßen und einen jüdischen Friedhof umfasste. Insgesamt wurden im Ghetto, das für Juden aus Minsk, Sluzk, Usda und anderen umliegenden Orten bestimmt war, etwa 100 000 Personen interniert. Bis zur Auflösung des Ghettos im Oktober 1943 wurden bei Pogromen und in sogenannten "Aktionen" Zehntausende erschossen, viele Hundert starben an Krankheiten und Unterernährung.

Wen wir besuchen

(Im Folgenden werden Auszüge aus den Gesprächen mit KZ- und Ghettoüberlebenden aufgeführt, die von unserem langjährigen ehrenamtlichen Mitarbeiter aus Paderborn, Herrn Prof. Ulrich Fox (+ 2012), während des Hilfs- und Begegnungsprojekts in Minsk im Jahr 2007 geführt und aufgezeichnet wurden.)

Maja Krapina (*1938) überlebte das Minsker Ghetto. "Bis zum Krieg wohnten wir in Minsk. Meine Großmutter sagte immer wieder: 'Wir bleiben jetzt auch hier, weil die Deutschen zu den Juden gut sind'... Ins Ghetto kam ich zusammen mit meinen Eltern, Großeltern und fünf Geschwistern. Meine jüngste Schwester Ljuba (*1941) und meine Mutter sind im Ghetto umgekommen. Vor dem Pogrom im Oktober 1943 sind mein Bruder Josef (*1929), meine Schwester Valja (*1933) und ich aus dem Ghetto geflüchtet. Eine weißrussische Bäuerin nahm uns auf. Nach der Befreiung kamen wir in ein Kinderheim".

Frieda Rejsman (*1935) wurde mit ihrer Familie ins Minsker Ghetto zwangsumgesiedelt. "Im Ghetto bekamen wir ein Zimmer von 15 qm für 9 Personen. Beim ersten Pogrom sind alle Verwandten meines Vaters umgekommen. Im Nebenzimmer lag eine kranke Frau, ihr haben die Ratten die Nasenspitze abgebissen. Mein Vater konnte aus dem Ghetto entkommen und ging zu den Partisanen. Mein Bruder Mischa ist wahrscheinlich in Malyj Trostenjez im Sommer 1943 ermordet worden. Ein junger Mann hat mich und meine Mutter aus dem Ghetto geschmuggelt. Wir lebten dann bis Kriegsende in einem Dorf, das in der Partisanenzone lag."

Nikolaj Tischkow (*1920) kam im Dezember 1942 ins Konzentrationslager Sachsenhausen und hatte sich mit dem deutschen Mithäftling Peter Schmidt aus Hamburg angefreundet. "Ich war sehr klein und der Gruppenführer hat es geduldet, dass ich immer in Begleitung von Peter sein durfte. Wenn man mich einer anderen Gruppe zuteilen wollte, sagte Schmidt: 'Hau ab, Nikolaj ist mein Sohn und er bleibt bei mir.' Wenn nicht Peter Schmidt gewesen wäre, hätte ich das Lager nicht überlebt. Auch Peter Schmidt - er war ein politischer Häftling mit dem entsprechenden Winkel - hat das Lager überlebt, zu einer Begegnung mit ihm ist es aber nie gekommen".

Tatjana Laschina (*1936) wurde zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester nach Majdanek deportiert, weil sich ihr Bruder den Partisanen anschloss. "Im Lager Majdanek wurden wir von unserer Mutter getrennt und meine15-jährige Schwester musste ins KZ Ravensbrück. Ich kam ins Kinderlager Konstantinow. Mein Vater wurde nach Auschwitz deportiert und wir dachten, er wäre dort ermordet worden. Doch er kam zurück, starb aber im Jahre 1951. Wir kehrten alle nach Hause zurück, auch meine Schwester aus Ravensbrück. Die erste Zeit nach dem Krieg war äußerst schwer. Wir haben uns zeitweilig von Sauerampfer und Gras ernährt."

Ekaterina Lipnickaja (*1928) wurde 1943 zusammen mit ihrem Vater und ihrer Schwester ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Die Mutter ist vorher durch einen Bombenangriff ums Leben gekommen. "Bevor man uns in Auschwitz getrennt hatte, küsste und segnete mein Vater uns Mädchen und fügte hinzu: 'Nehmt den Tod leicht an'. Von uns drei habe nur ich überlebt..."

Andrej Mojsejenko (*1926) hat das Konzentrationslager Buchenwald überlebt. "Der deutschen Jugend möchte ich sagen, dass sie dafür arbeiten und leben soll, damit sich die Tragödie von damals nicht mehr wiederholt. Und dass die nächsten Generationen der Deutschen und der Slawen ihr Leben in Freundschaft und in Frieden ausrichten sollen".

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