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Hausbesuche bei KZ-Überlebenden in der Region Witebsk (Weißrussland)

In der Region Witebsk im Nordosten Weißrusslands kämpften im 2. Weltkrieg Partisanen - Mitglieder der Widerstandsbewegung - gegen die deutschen Besatzer. Zur Vergeltung wurden ganze Dörfer ausgelöscht und die Zivilbevölkerung, vor allem Alte, Frauen und Kinder, in die Konzentrationslager oder zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert.

Dieses Schicksal teilen auch 16 Überlebende der Konzentrationslager, die das Maximilian-Kolbe-Werk Anfang Oktober 2018 in der Stadt und Region Witebsk besuchte. Sie sind heute zwischen 80 und 93 Jahren alt.

Liliya Doroshchuk aus der Geschäftsstelle des Maximilian-Kolbe-Werks und Thomas Arzner, Journalist und Ehrenamtlicher des Werkes, die zu den Überlebenden nach Weißrussland reisten, haben einige Begegnungen dokumentiert.

(Fotos: Thomas Arzner)

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Galina Strukowa (81) in ihrem Garten

Galina Strukowa aus einem Vorort von Witebsk in Belarus ist eine von 16 KZ-Überlebenden, die das Maximilian-Kolbe-Werk zu Hause besucht hat.

Die 81-Jährige, die unter anderem im Konzentrationslager Majdanek war, bewirtschaftet immer noch ihren eigenen Garten, wo sie Erdbeeren, Weißkohl, Meerrettich, Kartoffeln, Äpfel und Birnen erntet. Obst und Gemüse verkauft sie dann auf dem Markt, um ihre Rente aufzubessern.

Von dem Geld muss sie nicht nur sich, sondern auch ihre arbeitslose Tochter über die Runden bringen. Dabei helfen ihr die 300 Euro, die sie während des Besuchs von uns bekommt.

Freundlicher Empfang mit Tee und "Butterbrody" (belegte Brötchen)
Galina Strukowa als junge Frau und heute

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Nikolai Larionow (89) hat das Konzentrationslager Stutthof überlebt

Nikolai Larionow wohnt nicht weit von Orscha. Das Konzentrationslager Stutthof hat er überlebt. Jetzt möchte der 89-Jährige noch einen guten Lebensabend verbringen. Mit den 300 Euro, die wir im überreichen, wird er Medikamente kaufen.

Nikolai Larionow lebt mit seiner Frau, mit der er seit 61 Jahren verheiratet ist, in einer Ein-Zimmer-Wohnung. Doch er macht sich auch Sorgen um sie, denn sie leidet an den Folgen eines Schlaganfalls von vor zwei Jahren.

"Wenn es seiner Frau gut geht, geht es ihm auch gut", erzählt uns seine Schwiegertochter Lubow.

Zu Besuch bei Nikolai Larionow. Links sitzt seine Schwiegertochter Lubow, in der Mitte - Liliya Doroshchuk.
Bitte recht freundlich: Fototermin für Nikolai Larionow, seinen Sohn Michail und dessen Frau Lubow. Thomas Arzner fotografiert.

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Lidija Sinjakowa (89) freut sich über den Besuch aus Deutschland

"Ich möchte keinen Krieg mehr erleben", sagt Lidija Sinjakowa (89) aus Suschtschovo immer wieder bei unserem Besuch. Ihre drei Halbgeschwister wurden ermordet, als die Deutschen ihr Dorf in der Nähe von Vitebsk nach Partisanenfamilien durchsuchten. Lidija wurde in das Konzentrationslager Majdanek deportiert. Sie hat überlebt.

"Ich habe mit meinem Mann sechs Kinder großgezogen, habe unzählige Enkel und Urenkel. Ich hoffe, dass sie in Frieden aufwachsen."

Obwohl Lidija auf einem Auge fast blind ist und nur sehr langsam gehen kann, möchte sie noch nicht zu ihren Kindern ziehen. "Ich komme noch gut allein zurecht," erzählt sie uns, während ihre Schwiegertochter in der Küche Tee zubereitet. "Vormittags und nachmittags schauen meine Tochter und Schwiegertochter abwechselnd nach mir. Ich bin zufrieden."

Lidija Sinjakowa als junge Frau mit ihrem Mann
Das Haus von Lidija Sinjakowa

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Galina Iwanowa (88) ist die Älteste von drei Schwestern

Galina, Raisa und Anna sind drei Schwestern, die wir in Kurino und Werchowje besuchen. Als Kinder kamen sie 1943 mit ihrer Mutter in das KZ Auschwitz. "Wir mussten aufeinander aufpassen, da wir von unserer Mutter im Lager getrennt wurden."

Dann wurde auch Galina, die Älteste, zur Zwangsarbeit nach Dessau deportiert. Die jüngeren Schwestern wurden nach der Befreiung zunächst in ein Kinderheim gebracht, von wo sie später von ihrem Vater angeholt wurden. Die Mutter hat ebenfalls überlebt. Galina kehrte als Letzte zu ihrer Familie zurück. "Die Zeit nach dem Krieg war sehr schwer. Alles war zerstört, wir litten Hunger", erzählt sie.

Heute wohnen Galina Iwanowa (88) und Raisa Sobolewa (84) im gleichen Ort. "Galina kann nicht mehr gut gehen, deswegen besuche ich sie immer", sagt Raisa. Ihre Schwester Anna Kapustina (80) sehen sie nicht so oft, da es zwischen ihren Dörfern keine gute Busverbindung gibt. "Wir telefonieren aber regelmäßig".

Raisa Sobolewa (84) besucht ihre Schwester Galina regelmäßig
Auch die Besucher aus Deutschland werden beschenkt: Anna Kapustina (80), die jüngste Schwester, und ihr Mann geben uns leckere Äpfel aus eigenem Garten mit.
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