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Geschichtswerkstatt "Brückenbau vor dem Weltjugtendtag"

"Hoffen, Bangen und Barmherzigkeit mitten in der Brutalität von Birkenau"

Vorbereitung auf den Weltjugendtag 2016 in Krakow: Eine polnische KZ-Überlebende aus dem "Kinderblock" suchte mit jungen Deutschen das Gespräch über Vergangenheit und Versöhnung.

(Text und Bilder von Stefan Querl/ Villa ten Hompel)

Als junges Mädchen kam Zdzislawa Wlodarczyk ins KZ. Plötzlich verhaftet während des Warschauer Aufstands 1944, den die deutschen Besatzer blutig niederschlugen. Ihr Bruder und die Eltern erlitten ebenfalls grausige Qualen in Lagern, wie die Zeitzeugin jetzt in einem intensiven Gespräch schilderte. Wie sie selbst trotz Hungers, Willkür und der Furcht vor Folter überlebte und wieso sie mitten in der Brutalität des Lagers Birkenau im "Kinderblock" überraschend auch Barmherzigkeit gespürt hatte, beschrieb die 82-Jährige 20 Jugendlichen, Priestern und Pastoralreferentinnen. Auf Einladung des Maximilian Kolbe Werkes in Freiburg und der Erinnerungsstätte Villa ten Hompel im nordrhein-westfälischen Münster bereiteten sie sich in einem Workshop auf den Weltjugendtag vor. Vier Tage, vom 19. bis 22. November 2015, widmete sich die Gruppe im polnischen Oswiecim und in Krakow dem wechsel- und häufig leidvollen Verhältnis von Polen und Deutschen.

Vor der Begegnung mit der Zeitzeugin - ihr Geburtsname lautete Bogdaszewska, ihr Vater starb im bayerischen KZ Flossenbürg - nahmen die Teilnehmer des Vorbereitungsseminars die Gedenkorte Auschwitz und Birkenau in Augenschein. Das Maximilian-Kolbe-Werk und die Villa ten Hompel hatten dieses Begegnungsprogramm organisiert, auch die Rundgänge und Reflexionen. Neben dem Mahnmal an den gesprengten Gaskammern und der berüchtigten Rampe in Birkenau suchte die Gruppe den ehem. "Kinderblock" auf. Die Demütigungen der Wachmannschaften mussten auch rücksichtslos Frauen und Kinder erleiden. Familien wurden sogleich getrennt. Krankheiten grassierten. Auch Zdzislawa schwächten der Durchfall, der Wetterwechsel und die Lagerbedingungen. Doch die beiden für die Kinderbetreuung zuständigen Häftlingsfrauen waren Nonnen. Als "Funktionshäftlinge" taten diese Ordensfrauen, was sie nur konnten. Um den Flüssigkeitsverlust und das Auszehren zu lindern, gaben sie den erkrankten Kindern verkohltes Brot und Kartoffeln zu essen, die sie heimlich organisierten. "Ihnen verdanke ich so viel", sagt Zdzislawa Wlodarczyk heute.

Wenn Zdzislawa Wlodarczyk in Polen als Vertrauensfrau des Maximilian-Kolbe-Werkes andere Überlebende aus KZ und Ghettos trifft, kommt so manches Beispiel für Barmherzigkeit zur Sprache: Gesten der Menschlichkeit an Orten oder in Momenten, in denen das erst niemand für möglich hält. "Häufig zwischen Hoffen und Bangen." An Juden, Christen und Menschen aus den anderen Verfolgtengruppen, die im besetzten Teil Europas unter dem Hakenkreuz massiv gelitten hatten, erinnerten die jungen Deutschen in ihrem Workshop. Sie gedachten der Toten. Sie fragten aber auch nach Folgerungen für die Gegenwart und nach Initiativen für Versöhnung und Verständigung, die im Sommer zum Weltjugendtag möglich sind, wenn der Papst Krakow besuchen wird. Ideen für einen solchen "Brückenbau" lieferten Dr. Danuta T. Konieczny vom Maximilian-Kolbe-Werk und Stefan Querl von der Villa ten Hompel in Münster, die gemeinsam die Geschichtswerkstatt gestalteten. Gerade weil die Freundschaft zwischen Polen und Deutschland aktuell eng und tragfähig sei, gebe es Ansätze, auch die bitteren, wunden Punkte zur Vergangenheit zu berühren. Tabu seien dabei auch schwierige Aspekte wie Flucht, Vertreibung und Folgen des Kalten Kriegs nicht, wenn Bereitschaft zuzuhören auf beiden Seiten existiere.

Lesen Sie weitere Erfahrungsberichte:

- von Projektteilnehmenden aus Havixbeck

- von Niklas Hesselmann aus Dülmen

Bildergalerie

Am Eingangstor des ehemaligen Stammlagers Auschwitz

Im ehemaligen Stammlager und auch in Birkenau informierten sich die Deutschen über die baulichen Relikte und Belege für die Massenverbrechen.

Auch von Momenten der Menschlichkeit mitten im KZ berichtete die Zeitzeugin Zdzislawa Wlodarczyk den Jugendlichen, die im nächsten Jahr zum Weltjugendtag fahren.
In Krakow feierte die Gruppe gemeinsam die Messe im geistlichen Zentrum des Weltjugendtags.
Teilnehmende an der Geschichtswerkstatt

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