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Osaritschi-Überlebende zu Besuch in Niedersachsen

30.07. - 20.08.2017

Eine Gruppe von sechs Überlebenden des NS-Regimes aus Belarus/ Weißrussland lud das Maximilian-Kolbe-Werk vom 30. Juli bis 20. August 2017 zu einem Zeitzeugenprojekt nach Duderstadt ein. Die Gäste, sechs Frauen im Alter zwischen 75 und 81 Jahren aus Minsk, Gomel und der Region Grodno, haben im Zweiten Weltkrieg Gefangenschaft, Gewalt und Massensterben im Konzentrationslager Osaritschi überlebt.

Nahe der Ortschaft Osaritschi wurden im Winter 1943/44 ca. 50.000 Zivilisten aus den Gebieten Smolensk, Orjol und Brjansk von deutschen Wehrmacht-Soldaten in drei mit Stacheldraht abgesperrte Sumpfgebiete im südlichen Weißrussland gepfercht. In kürzester Zeit starb in den Osaritschi-Lagern jeder vierte Häftling an Hunger, Kälte und Seuchen.

Während ihres dreiwöchigen Besuchs erkundeten die weißrussischen Gäste in Begleitung von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen des Maximilian-Kolbe-Werks Helga Chrpa und Natalia Gerhard das südliche Niedersachsen und kamen mit Schülern und anderen interessierten Bürgern ins Gespräch.

Das Projekt wurde in bewährter Kooperation mit dem Caritasverband für die Diözese (DiCV) Hildesheim e.V. realisiert. Untergebracht waren die Gäste im Kolping-Ferienparadies Pferdeberg.

Im Programm des Aufenthaltes nahmen Begegnungen und Zeitzeugengespräche mit Jugendlichen und Erwachsenen einen wichtigen Platz ein. Besonders hervorzuheben sind hier die Gespräche mit Schülern der Georg-Christoph-Lichtenberg-Gesamtschule und des Heinsberg-Gymnasiums in Göttingen.

"Wir sind wie Dinosaurier, wird sterben aus. Darum ist es wichtig, hier in Deutschland zu sein und Gespräche zu führen. So bleibt die Geschichte noch lange am Leben", sagten die weißrussischen Frauen über ihre Motivation, als Zeitzeuginnen aufzutreten.

Auf dem Begegnungsprogramm der Gruppe standen außerdem ein Empfang im Duderstädter Rathaus durch Bürgermeister Wolfgang Nolte, ein Empfang durch Bischof Norbert Trelle im Hildesheimer Dom sowie eine Tagesfahrt nach Lüneburg. In Lüneburg wurden die Gäste durch Bürgermeister Dr. Gerhard Scharf im Rathaus empfangen.

Die Begegnung mit der Stadt Lüneburg und ihren Bürgern war für die weißrussischen Besucherinnen insofern von besonderer Bedeutung, dass an den Kriegsverbrechen in Osaritschi auch die 110. Infanterie-Division, die in der Lüneburger Scharnhorst-Kaserne untergebracht war, beteiligt war.

Diese Verbindung war auch Thema beim Besuch der Gruppe an der Leuphana Universität Lüneburg. Nach der Begrüßung durch den Dekan der Fakultät für Kulturwissenschaften Prof. Dr. Ulf Wuggenig berichteten die weißrussischen Gäste vor Studierenden und wissenschaftlichen Mitarbeiter/innen der Universität über ihre Erlebnisse im Konzentrationslager Osaritschi. Initiiert wurde die Fahrt nach Lüneburg von Mitgliedern der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes und des Arbeitskreises Gedenkkultur an der Leuphana Universität.

Das Besichtigungs- und Kulturprogramm umfasste u.a. einen Stadtrundgang durch Duderstadt, Ausflüge zum Seeburger See und zum Naturerlebniszentrum Heinz-Sielmann-Stiftung und ein Orgelkonzert in Basilika St. Cyriakus. Ferner wurden von Natalia Gerhard literarische Lesungen und Gesprächsabende unter dem Motto "Erzählen aus eigener Geschichte" gestaltet, die bei den Gästen auf hohen Zuspruch stießen.

"Nach diesem Besuch in Deutschland sind unsere eisigen Herzen weicher geworden", sagte die 81-jährige Valentina Schyschlo zum Abschied.

Das Projekt wurde durch die Mittel der Lotterie "GlücksSpirale" gefördert.

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