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"Das Virus schafft Ängste und Einsamkeit"

Krankenschwester Zuzanna Zadawa über den Corona-Alltag in Warschau

Vor der Coronakrise gehörten die täglichen Besuche bei KZ-Überlebenden zum Alltag von Zuzanna Zawada

27.03.2020     "Das Coronavirus schafft Ängste und Einsamkeit", sagt Zuzanna Zawada, unsere Krankenschwester in Warschau, am Telefon. Normalerweise hätte sie jetzt gar keine Zeit zum Telefonieren. Vor der Coronakrise war es ihr Alltag, die rund 60 KZ- und Ghetto-Überlebenden in der polnischen Hauptstadt zuhause zu besuchen, um ihnen im Haushalt zu helfen oder sie medizinisch zu versorgen.

"Die menschliche Nähe fehlt am meisten"

"Meine täglichen Besuche musste ich schweren Herzens einstellen, um die Senioren nicht zusätzlich zu gefährden", erzählt sie. "Alle haben Vorerkrankungen und ein geschwächtes Immunsystem". Was Zuzanna zurzeit bleibt, ist der telefonische Kontakt zu den Überlebenden.

"In dieser schwierigen Zeit bin ich zur Telefonseelsorgerin geworden", sagt sie. Denn die Einsamkeit, so die Krankenschwester, verändert den Alltag der KZ- und Ghetto-Überlebenden, die ohnehin schon wegen ihrer eingeschränkten Mobilität wenige soziale Kontakte hatten, noch radikaler. "Die KZ-Überlebenden erzählen mir, dass ihnen jetzt die menschliche Nähe am meisten fehlt," berichtet Zuzanna Zawada. "Die persönlichen Gespräche, das gemeinsame Lachen, die Umarmungen bleiben aus. Das belastet sie sehr".

Sich nicht unterkriegen lassen

Doch Zuzanna lässst sich nicht unterkriegen und passt sich der neuen Situation an. Brachte sie früher medizinische Hilfsmittel und Hygieneartikel zu den KZ- und Ghetto-Überlebenden nach Hause, so lässt sie diese jetzt von deren Kindern, Enkeln oder anderen Angehörigen abholen. Klar müssen auch die Angehörigen den Abstand halten, aber sie können die Sachen vor der Eingangstür ablegen.

"Der Bedarf ist inzwischen so groß, dass ich es alleine nicht schaffen würde, jeden einzelnen zu versorgen", gesteht Zuzanna Zawada. "In unserer kleinen Apotheke biete ich daher an drei Tagen in der Woche die Möglichkeit, die notwendigen Artikel abzuholen. Besonders gefragt sind Windeln, Bettunterlagen und weitere Hygieneartikel", erzählt Zuzanna. Diese Hilfsmittel sind für die KZ- und Ghetto-Überlebenden kostenlos und werden vom Maximilian-Kolbe-Werk mit Unterstützung der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung, und Zukunft" (EVZ) finanziert.

Als Gesellschaft zusammenhalten

Zuzanna Zawada informiert uns in Freiburg außerdem regelmäßig, wenn jemand Geld für dringend benötigte Medikamente oder Pflege braucht. So wie die 99-jährige Ravensbrück-Überlebende Alicja Gawlikowska, deren Tochter sich nach der finanziellen Unterstützung für die kranke Mutter erkundigt hat.

"Alicja ist bettlägerig und benötigt die Rundumpflege. Die Pflegekosten sind sehr hoch und bringen sie in finanzielle Not", so die Krankenschwester.

Das Maximilian-Kolbe-Werk wird Frau Gawlikowska - wie auch 35 weitere KZ- und Ghetto-Überlebende in ganz Polen - in den nächsten Tagen mit einer finanziellen Beihilfe unterstützen.

"Die Coronakrise gibt uns als Gesellschaft die Chance, zusammenzuhalten und uns gemeinsam um die Kranken und Schwachen zu kümmern. Auch über die Landesgrenzen hinaus," sagt Zuzanna Zawada am Ende unseres Telefonats.

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