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"Urlaub für Körper und Geist"

Begleitete Kuren für KZ- und Ghetto-Überlebende in Osteuropa

Kuranwendungen und Erholung standen auf dem Programm der drei Sanatoriumsaufenthalte, die das Maximilian-Kolbe-Werk kürzlich für 54 Überlebende der Konzentrationslager und Ghettos in Belarus, Russland und der Ukraine organisierte. Zwei Wochen lang genossen die Senioren ihren Kururlaub und wurden dabei von unseren ehrenamtlich Engagierten aus Deutschland und Polen begleitet.

Den Satz "Ich hätte mir eine solche Kur nicht leisten können" haben die Begleiter von vielen Überlebenden gehört. Für einige war es sogar der erste Kuraufenthalt ihres Lebens. Kein Wunder, müssten doch die Überlebenden je nach Land bis zu fünf Monatsrenten für die Kur aufbringen.


UKRAINE

Unerschwinglich ist ein Kuraufenthalt vor allem für ukrainische KZ- und Ghetto-Überlebende. Ihre Monatsrente liegt aktuell bei ca. 70 Euro. "Wer kann da schon an eine Kur denken, wenn das Geld nicht mal für das Nötigste wie Lebensmittel und Medikamente reicht", beklagten sich die Kurgäste bei ihren Begleiterinnen Ute Krieger und Valentina Jakovlev aus Nordrhein-Westfalen.

"Die Preise sind wieder sehr stark angestiegen", erzählt Ute Krieger, die seit vielen Jahren die Kuraufenthalte in der Ukraine begleitet und die konstanten Preiserhöhungen in allen Bereichen beobachtet. "In unseren Gesprächen mit den Gästen konnten wir vieles über ihre Vergangenheit und aus ihrem aktuellen Leben erfahren. Alle haben einen großen Wunsch, dass sich die Situation in der Ukraine nach der Wahl bald zum Guten wendet," sagt sie.

Im Sanatorium "Chmelnik" in der Region Winniza konnten 18 Senioren aus Winniza, Saporoshe, Charkiw und Lwiw für zwei Wochen ihre täglichen Sorgen vergessen und die Kuranwendungen sowie Spaziergänge oder gemütliche Gesprächsrunden genießen.

"Wir spürten wieder die ganz große Dankbarkeit von allen, die sie durch ihr Lächeln, ihre Umarmungen und die vielen guten Worte zum Ausdruck brachten", berichtet Ute Krieger.

So sagte Walentina Spesiwtsewa aus Saporoshe: "Ihr habt mir Gesundheit gegeben für ein ganzes Jahr." Die 76-Jährige wurde 1943 als Tochter einer ukrainischen Zwangsarbeiterin und eines Deutschen in Bayern geboren. Mit ihrer Mutter war Walentina im Konzentrationslager Dachau inhaftiert, nach der Befreiung kehrten die beiden in die Ukraine zurück, wo Walentina aufwuchs. Ihren Vater hat sie nie gesehen, kennt aber seinen Familiennamen.


RUSSLAND

In Russland haben wir 18 KZ- und Ghetto-Überlebende der Jahrgänge 1925 bis 1942 aus St. Petersburg und dem Leningrader Gebiet zu einer Kur ins Sanatorium "Sestrorezkij Kurort" eingeladen. Sestrorezk liegt an der Mündung des Flusses Sestra in den Finnischen Meerbusen, etwa 35 Kilometer nordwestlich von Sankt Petersburg entfernt.

"Neben der medizinischen Betreuung wurde unseren Gästen in dieser reizvollen Umgebung ein zutiefst entspannendes Urlauberlebnis ermöglicht", erzählt Gustav Groß aus Zittau, der gemeinsam mit dem polnischen Pfarrer Tadeusz Kaczmarek die Kur begleitete und ein kleines Rahmenprogramm in der anwendungsfreien Zeit gestaltete.

Die medizinischen Schwerpunkte des Kurhauses lagen in den Bereichen Herz-, Kreislauf- und Gefäßerkrankungen, Erkrankungen der Atemwege, orthopädische und rheumatische Erkrankungen, allgemeine Schwächezustände.

"Diese Kur war Urlaub für meinen Körper und Geist", sagte Pavel Rubintschik aus St. Petersburg. Mit seinen 91 Jahren war er der zweitälteste Kurteilnehmer. Nach einem schweren Schlaganfall hat der Überlebende des Ghettos Minsk mit Lähmungen zu kämpfen. "Wir wurden gut medizinisch betreut. Die natürlichen Heilmittel und Anwendungen trugen etwas zur Linderung meiner Beschwerden bei", sagte Pavel Rubintschik.


BELARUS

"Das Kurhaus 'Sosny' am großen See Narotsch südlich von Minsk weist außerordentlich hohen Standard an Unterbringung, medizinisch-therapeutischer Versorgung und Erholungswert auf", berichtet unser Ehrenamtlicher Herbert Meinl. "Unsere 18 Kurgäste haben sich hier sehr wohl gefühlt".

Die Kurgäste im Alter zwischen 75 und 93 Jahren reisten aus Minsk, Witebsk, Mogilow und Gomel nach Sosny. Unterstützung bei der Sprachvermittlung erhielt Herbert Meinl von der Weißrussin Galina Lobkowskaja.

"Ich hatte diesen Kuraufenthalt dringend nötig, doch selbst hätte ich ihn mir niemals leisten können," sagte Alla Kruglikova, pensionierte Gymnasiallehrerin für Geschichte und Geographie aus Mogilow. Im Zweiten Weltkrieg war sie in den Konzentrationslagern Majdanek und Ravensbrück interniert. Über ihre Erlebnisse erzählt sie heute an Schulen und Universitäten.

"Mein Vater war Offizier und in Litauen stationiert, wo wir lebten. Nach Kriegsbeginn ging er sofort an die Front", erzählt die 82-Jährige. Alla wurde mit ihrer Mutter und zwei Brüdern ins KZ Majdanek deportiert, wo der jüngere Bruder starb und der ältere bis zur Befreiung blieb. Mit der Mutter kam Alla dann nach Ravensbrück, wo sie die "Hölle" erlebte. "Obwohl ich erst 5-6 Jahre alt war, wurde mir Blut abgenommen, das - wie ich viel später erfuhr - als 'Blutkonserve' für Wehrmachtssoldaten und SS-Angehörige diente", erzählt sie.

In einem sehr emotionalen Gespräch schildert Alla Kruglikova Herbert Meinl, dass sie Opfer pseudomedizinischer Versuche war: "Mir wurde Eiter injiziert und Knochenstücke aus dem rechten Oberarm entnommen, die einem anderen Mädchen implantiert wurden". Doch sie hat diese Torturen überlebt und kam mit ihrer Mutter und dem in Majdanek zurückgelassenen Bruder nach Mogilow zu Verwandten. Ihr Vater war im Krieg gefallen.

"Beim Abschiedsfest am letzten Abend wurde ich mit vielen Umarmungen beschenkt. Dadurch wurde mir meine Rolle als ehrenamtlicher Begleiter aus Deutschland besonders klar: Meine Anwesenheit und Zugewandtheit ist für die Menschen, die von Deutschen viel Leid und Unrecht erfahren haben, sehr wertvoll", betont Herbert Meinl.

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